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Produktverpackung: Kauf! Mich! Jetzt!

29.08.2009 | 18:19 | von nicole stern (Die Presse)

Eine Verpackung muss nicht nur das Produkt schützen, sondern auch einzigartig, praktisch und – Überraschung! – ehrlich sein. Kein Wunder, dass Experimente eher selten sind.

Schön soll sie sein und farbenfroh. Zweckmäßig muss sie sein,und zum Produkt passen soll sie auch. Das Wichtigste jedoch ist, dass sie sich unterscheidet – von ihren abertausend Konkurrentinnen, die ihr im Supermarkt die Stirn bieten.

Das Designen von Verpackungen, vor allem von jenen im Lebensmittelbereich, ist schwierig. Denn, sagt Erwin K. Bauer, Chef des gleichnamigen Gestaltungsbüros: „Es geht nicht nur darum eine Hülle zu entwerfen, man muss dem Produkt eine Seele geben.“ Im Idealfall müsse eine Verpackung, die im Regal liegt, den Kunden ansprechen und sagen: „Hallo da bin ich, kaufe mich!“, meint Michael Urbanek von der Agentur Brand Management. Denn wenn zwei Produkte gleichwertig seien, differenzierten sie sich einzig über ihr Design, erklärt Bauer.

Den größten Fehler, den ein Produktdesigner machen kann? Dass er eine Verpackung entwirft, die dem Kunden mehr verspricht, als ihm der Inhalt bietet. Denn: Sei eine Marke günstig, müsse der Kunde das erkennen, meint Urbanek. Das Produkt dürfe dann nicht per se „hässlich“ konzipiert, jedoch anders als teure Marken weniger aufwendig gestaltet sein. Sei die Ware teurer, müsse sie auch größer sein, sagt Verpackungsdesignerin Susanne Lippitsch. Denn wenn der Konsument den Eindruck gewinnt, getäuscht worden zu sein, wird er das Produkt nicht mehr kaufen. Barbara Weißbacher von LDD Communication hatte den Auftrag, ein Produkt zum Diskontpreis zu entwickeln: Sie hat die „S-Budget“-Linie der Firma Spar entworfen. Das Konzept: ein Produkt entwerfen, das preiswert aussieht, gute Qualität vermittelt und leicht wieder erkannt wird.

Zuerst: Recherche. Eine Verpackung zu entwerfen kann mitunter mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nehmen. Die meisten Verpackungsdesigner setzen sich, noch bevor sie erste Entwürfe skizzieren, lange mit einem Hersteller, einer Marke, einem Produkt und auch seiner Geschichte auseinander. Es wird hinterfragt, wie das gleiche Produkt in anderen Ländern aussieht. Wie ein Produkt verpackt wird, wenn es im Hochpreissegment rangiert, wie es angepriesen wird, wenn es günstig ist. Auch Marktforschungsergebnisse werden studiert sowie Zielgruppen definiert. Oft wird getestet, ob der Konsument das Design annimmt oder nicht.

Im Lebensmittelbereich, sagt Robert Abbrederis, Artdirektor der Werbeagentur Team a5, müsse eine Verpackung mehr können, als nur gut auszusehen. Sie solle den Anforderungen eines Produkts entsprechen: Eine Halbliter-Pet-Flasche werde meistens im Büro oder beim Sport verwendet. Ein Zwei-Liter-Tetrapak werde eher von Familien gekauft. Weiters müsse eine Hülle ihren Inhalt unter anderem vor Feuchtigkeit schützen sowie den geeigneten Transport ermöglichen.

Daher ist es oft schwierig, Erscheinungsform und Material zu wechseln. „Man muss bedenken, dass es hier auch um Verkaufseinheiten, Gewicht und Staplergrößen geht“, sagt Urbanek. Zudem ist das Äußere auch ein Kostenfaktor. Denn einige Hersteller bringen gewisse „Produktstraßen“, also spezielle Maschinen zur Produkterzeugung, mit. Der Einsatz neuer Formen oder Rohstoffe würde demnach die Anschaffung neuer Geräte bedingen. Viele Unternehmen können und wollen sich das nicht leisten.

Innovationen sind aber dennoch möglich. Zum Beispiel, wenn sich Verpackungsdesignerin Susanne Lippitsch einem Produkt widmet. Denn Lippitsch arbeitet „rückwärts“ – geht also zuerst vom Auspacken aus. Je kleiner das Unternehmen sei, desto freier könne sie agieren, sagt Lippitsch. Je weniger Verpackungen jedoch produziert werden, desto teurer ist die Produktion. Für kleine Firmen ist das aber oft ein Problem. Und ist eine Verpackung zu aufwendig, kann es außerdem passieren, „dass sie von den Supermarktketten nicht gelistet wird. Denn der Handel will optimal stapeln.“


Schön sein. Muss eine Verpackung schön sein? Abbrederis glaubt, dass sich ein Produkt nicht verkauft, wenn es nicht gut aussieht. Erwin Bauer setzt die Schönheit eines Produkts voraus, da der funktionale Aspekt in den Hintergrund tritt. „Wenn ich mir ein Auto kaufe, gehe ich davon aus, dass es auf Dauer einwandfrei funktioniert. Das ist beim Inhalt einer Verpackung auch so. Er muss funktionieren.“

Abseits der optischen Komponente kann sich ein Produkt aber auch über Emotionen differenzieren. Gefühle spielen vor allem bei traditionsreichen Produkten eine große Rolle. Denn dort funktioniert die Bindung eher über die Marke als über die Hülle. Bei alteingesessenen Marken dürfe man nur wenig am Design verändern, ist Abbrederis überzeugt. Urbaneks Einstellung ist eine ähnliche: „Nur der sanfte Weg ist der richtige. Der Wert einer Marke liegt in ihrer Beständigkeit.“

Wichtig ist, dass der Kunde das Produkt nach dessen Relaunch wieder erkennt. „Veränderungen dürfen nicht zu stark auffallen“, sagt Susanne Vostrel von der Werbeagentur Dasuno, denn sonst „neigen die Leute dazu sich zu beschweren.“ Das ist auch der Grund, warum man die Rumkugelverpackung der Firma Manner nur dezent verjüngt hat. Die Farben sind gedeckter als früher, die Kokosnuss hat ihren Blaustich verloren. Das Palmblatt ist weit weniger grell. Die Verpackung ist dennoch ähnlich. „Wir wollten das Produkt einfach zeitgemäßer gestalten“, sagt Vostrel.


Warum ist die Milch immer blau? Farben, Texte und Bildanteile sind daher wesentliche Bestandteile einer Oberfläche. Doch woher weiß ein Designer, welche Farben er für sein Produkt verwenden muss?

Zum einem werde dem Designer dies in der Ausbildung mit auf den Weg gegeben. Bei einem Buntwaschmittel ist klar, dass viele Farben verwendet werden. Bei Mineralwasser mit Kohlensäure sind Farben wie Gelb oder Rot eher unpassend, sagt Abbrederis. Und dass man Schinken nicht in Neonfarben verpackt, sondern eher in Landschaftstöne hüllt, liege auf der Hand.

Urbanek will da lieber mit den Konventionen brechen. Er findet, dass Apfelsaft nicht immer grün sowie Milch nicht immer blau sein muss. „Denn mit der Farbe Blau hat die Milch doch überhaupt nichts zu tun.“ Und ob eine Verpackung wirklich gut gemacht sei oder nicht, sagt Bauer, sehe man letztlich zumindest an einem: an den Verkaufszahlen.


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